Geschichte des Regenwurms

Ein Kinder der "Alternativen Liste": Der Regenwurm startet 1979 als Infoladen.

Die 60er und 70er Jahre sind eine bewegte Zeit. Die junge Generation will ihre eigenen Wege gehen und demonstriert für Frieden, Freiheit und eine saubere Umwelt. 1979 schließen sich in Vlotho der "Arbeitskreis Umweltschutz", der Verein "Autonomes Jugendzentrum", die Frauengruppe Vlotho und weitere Initiativen zur "Alternativen Liste" zusammen. Die Gemeinschaft will sich in der lokalen Politik bei Entscheidungen beteiligen. Bei der Kommunalwahl am 30. September 1979 fehlen jedoch 30 Wählerstimmen für den Einzug in das Rathaus. Die "Grüne Liste Vlotho" ist erfolgreicher, da sie besser mit den Medien umgehen kann.

Wir lernen unsere Lektion und beschließen mit unseren Ideen auf die Öffentlichkeit zuzugehen. Wir gründen die Stadtzeitung "Vlothos Bundes Blatt", aus dem später der "Hornarr" wird. Als "Alternative Liste" wollen wir außerdem einen festen Anlaufpunkt in Vlotho und richten in der Weserstraße 17 einen Umwelt- und Kommunikationsladen ein. Um seinen Betrieb finanzieren zu können, beschließen wir Bioprodukte zu verkaufen.

Die ersten Jahre

Der Regenwurm war am Anfang montags, mittwochs und freitags geöffnet. In den ersten zwei Jahren gehörte es zu unserem Prinzip, dass die drei Frauen und drei Männer hinter der Theke ehrenamtlich arbeiteten. Gleichzeitig begannen wir Altpapier zu recyceln. Anfänglich misstrauisch beäugt, wuchs unser Ladenprojekt stetig, so dass wir 1981 in die Fußgängerzone umzogen. Auf den neuen 45 Quadratmetern konnten konnten wir mehr Ideen umsetzen. 1982 erteilte uns die IHK Bielefeld ihre Anerkennung aus Ausbildungsstätte. 1984 begann der erste Lehrling bei uns seine Ausbildung.

Der Regenwurm entwickelt sich

In den folgenden Jahren waren wir am Verband der selbst verwalteten linken Buchläden in Nordrhein-Westfalen beteiligt. Der Regenwurm war ebenfalls Teil der Naturkostläden Ostwestfalens, die sich locker zusammengeschlossen haben. In Vlotho selbst konnten wir im Laufe der Jahre verschiedene Initiativen anstoßen. Wir halfen bei der Gründung der Dritte Welt-Gruppe, der Volkszählungsinitiative, verschiedenen Flüchtlingsgruppen, des Café Klatsch, dem "besseren Müllkonzept" und Bioläden in den Nachbarstädten.

Von Anfang an waren die wöchentlichen Ladenbesprechungen das Zentrum der Regenwurm-Aktiven. Hier trafen sich alle Mitarbeiter (teilweise auch zu Wochenendseminaren), um gemeinsame Dinge zu besprechen, beispielsweise neue Bio-Produkte. 1986 übernahmen wir in Bad Oeynhausen den Bioladen "Wurzelwicht", um daraus mit sieben Beteiligten ein Kollektiv-Projekt zu machen. Währenddessen wuchs der Regenwurm weiter. Der Laden zog 1990 in ein doppelt so großes Lokal (90 Quadratmeter) in der unteren Fußgängerzone.

Ab 1987 engagierte sich der Regenwurm im Verband Naturkost/Naturwaren e.V. Drei Jahre lang war Rudolf Döhr Bundesdelegierter und Ansprechpartner der Region Ostwestfalen. Zunehmende inhaltliche Differenzen mit Verband und Mitgliedsläden führten zum schrittweisen Ausstieg aus dieser aktiven Arbeit. Mit der Formel "Entwicklung zum Naturkostfachgeschäft" wurden zunehmend wichtige ökologische und soziale Kriterien über Bord geworfen. 1993 zogen wir die Konsequenz und traten aus dem Verband aus.

Eine Geschichte mit Erfolgen und Rückschlägen

Der Regenwurm war von Anfang an ein politisches Projekt, eine Anlaufstelle für die verschiedensten Sorgen und Probleme der Bürger. Dies machte den Laden zwar sehr lebendig, führte aber dazu, dass den Mitarbeitern eine persönliche Abgrenzung schwer fiel - was wiederum zur Überforderung führte. Häufig rückten die Mitarbeiter durch diese Erfahrungen von ihrer anfänglichen Vorstellung ab, nach der Einarbeitungszeit am Regenwurm beteiligte Kollektivmitglieder zu werden. Außerdem hatten sich im Laufe der 80er Jahre die gesellschaftlichen Vorstellungen geändert. Zuerst war selbst bestimmte Arbeit, frei von hierarchischen Strukturen das Ziel. Doch der Wunsch nach geregelten Arbeitszeiten und hohem Arbeitsentgelt setzte sich durch.

Der Versuch ein Kollektiv zu formen

1989 starteten wir noch einmal den Versuch, aus einer Gruppe von drei Frauen und zwei Männern ein Kollektiv zu formen. Doch bereits nach einem Jahr war uns klar, dass dieses Vorhaben aussichtslos war. Die Mitarbeiter wollten ihre Position als Angestellte nicht aufgeben. Zwei langjährige Mitglieder wollten nach sieben Jahren nahezu ohne Freizeit nicht noch einmal die Kraft aufbringen, einen neuen Versuch zu wagen. Der Bioladen in Bad Oeynhausen wurde zum Verkauf angeboten.

Ab 1992 betrieben Rudolf Döhr und Ulrike Heusinger den Regenwurm alleine weiter. 1994 wurde der Regenwurm vom Einzelunternehmen auf eine "Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR)" umgestellt. Die folgenden Zeiten waren schwierig. Die BSE-Krise im Jahre 2000 führte zu einem enormen Anstieg des Umsatzes. Die folgenden Jahre blieben dennoch turbulent. Vlothos Wirtschaft bröckelte. Der Werrepark in Bad Oeynhausen zog Kunden ab. 2002 zog der Regenwurm abermals um. In diesen Jahren stellten wir die Regenwurm-Zeitung ein, die Kundeninfo und regelmäßige Mitarbeitertreffen.

Die jüngere Geschichte

Im Oktober 2004 feierte der Regenwurm sein 25-jähriges Bestehen. In Vlotho führte der Bau des Bürger-Einkaufs-Zentrums, 500 Meter vor der Innenstadt, zum Weggang des Aldi aus der "Oberen Langen Straße". Laufkundschaft blieb aus. Doch in den folgenden Jahren konnte der Regenwurm seine Position in der Langen Straße ausbauen. Heute ist er ein Synonym für gesunde Lebensmittel und ein faires Miteinander.

 

 

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